Klimt - Der Kuss - Literarische Reise der Bildbetrachtung von Heidemarie Andrea Sattler Drucken

Klimt - Der Kuss

"Schließe die Augen
und lass dich entführen
in das Land der Liebe.

Öffne sie erst wieder,
nachdem dich
die Feder der Liebkosung gestreichelt
und der Mund der Versuchung geküsst hat."


Umschlungenes Miteinander, voll von Liebe und Zuwendung, die Geborgenheit vermittelt. Klimt versteht es meisterlich, trotz zarter Töne, allein durch die gewählten Strukturen die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die stille Verbundenheit zu lenken.

Den ersten Eindruck vermittelt der Mantel, der alles umfasst. Die kubistischen Formen offerieren den männlichen Part, der durch die dunklere Farbwahl auf den ersten Blick zu dominieren scheint. Durch den Einbezug von runderen Formen deutet er jedoch auf eine Verbundenheit zum Weiblichen hin. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Wechsel der Manteloptik, die sich auf der Seite der Frau gänzlich in weiche Rundungen verliert. Als Pendant dazu kreiert Klimt die Bekleidung der Frau bevorzugt in ovalen, runden Mustern in Kombination von eingearbeiteten eckigen Strukturen. Vermischung der Formen und Farben als Element der Darstellung von trautem Miteinander.

Die Körper selbst sind mit äußerster Genauigkeit gezeichnet und erregen so die Aufmerksamkeit des Betrachters, obwohl sie nicht im Mittelpunkt des Bildes liegen. Er entdeckt sie zumeist nicht auf den ersten Blick und ist dadurch umso mehr von dieser Zweisamkeit fasziniert. Der steil nach unten fallende Blütenboden am Ende der weiblichen Füße suggeriert einen Abhang, von dem aus man in eine versteinerte, monotone Welt voll Einsamkeit abrutschen könnte.

Jedoch erwachsen am Mantelsaum aus liebevoller Hingabe und Vertrautheit neue Ranken, die das Paar fester an das Leben binden. Die monotone, versteinerte Umgebung rückt in den Hintergrund und der Boden, den die Liebenden berühren, erwacht zu einem Blütenmeer. Liebe, die sich nicht verstecken lässt, sondern ihre wärmende, inspirierende Farbenpracht in die Umgebung trägt.


© Heidemarie Andrea Sattler

Ausgezeichneter Beitrag 2005
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