Held der Morgenstunde |
Es gibt Tage, da merkt man schon morgens beim Aufstehen, dass es besser gewesen wäre im Bett zu bleiben. Der Weckruf des Radios erschallt einfach lauter als sonst und der Fußboden ist um mindestens fünf Grad kälter als gewöhnlich. Das Bett jedoch ruft lockend zu: "Kuschle mit mir, nur noch zehn Minuten!". In solchen Momenten steckt sich die Nasenspitze wie von alleine unter den weichen Bettbezug, der verlockend mit einer warmen Umarmung zu einem verlängerten Stell-dich-ein lädt. Aber es hilft alles nichts! Vorsichtig und unendlich langsam tasten meine Zehen nach den Pantoffeln unter dem Bett und weichen erschrocken vor dem kalten Laminat zurück. Nach einem erneuten Anlauf ist auch der Eingang zur zweiten Schuhöffnung gefunden und leicht wankend erhebe ich meinen Körper. Unendlich langsam, zeitlupengleich, verlasse ich mit einem Seufzer das Schlafzimmer und mich übermannt ein Gefühl der Schlaffheit, so als ob ich am Vortag eine Party gefeiert hätte und dabei um mindestens zwanzig Jahre gealtert wäre. Schlurfend schleppe ich meine müden Glieder ins Bad und lasse die allmorgendliche Waschprozedur über mich ergehen. Ein Blick in den Spiegel und ich stelle fest, dass die Frisur heute noch weniger so sitzt wie man es sich vorgestellt hat. Nachdem der Versuch des Stylings hinter mir liegt und ich mein heutiges Outfit angelegt habe, beschleicht mich ein nasses Gefühl am linken Socken. "Natürlich, kaum was verkleckert und exakt den richtigen Schritt getan!", höre ich mich brummen. Also wieder raus aus den Socken. "Oh, nein, nicht das noch!". Gerade jetzt gibt der Strumpfgummi seinen Geist auf und hängt labberig an mir herunter. "Toll", rufe ich laut und bin jetzt schon richtig verärgert. Aber es hilft nichts! Noch mal alles von vorne. Endlich! Erleichtert und triumphierend, mit stolz geschwellter Brust erreiche ich das Treppenhaus und will nach unten eilen als mir eine Stimme zuruft: "Schatzi, was machst du denn für einen Lärm? Komm bitte wieder zu mir ins Bett, heute ist doch Feiertag!" © Heidemarie A. Sattler
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