Geheimsache Krähenschreck - Hamstergeschichten Drucken

„Mmh, irgendwann brauche ich ein größeres Transportmittel“, brummt Michel zu sich selbst und stopft die letzte Fuhre Kleeblätter in seine Backen. So aufgeplustert erreicht er den alten Baumstumpf unter dem der Eingang zu seiner Wohnung liegt.
„Halt, aber bitte doch halt, so warte doch auf mich“, vernimmt er die bekannte Stimme von Tirilix, einer kleinen Kohlmeise. Aufgeregt lässt sie sich direkt vor ihm nieder und wippt mir dem Schwänzchen. „Ich benötige ganz dringend deinen Rat“, bemerkt sie hastig. „Es gibt schon wieder Ärger mit der Krähe vom Nachbarort. Ständig sitzt sie auf der alten Weide und vertreibt jeden, der in unserer geliebten Badepfütze plantschen will. Nun sag´ doch endlich auch etwas dazu, ich weiß einfach nicht mehr weiter.“
Michel schüttelt den Kopf, denn nur zu gut erinnert er sich an sein letztes Zusammentreffen mit dem Rabenvogel als dieser ihm eine dicke Walnuss ganz frech vor der Nase wegschnappte um mit einem hämischen „Kra-Krah“ in den Himmel zu entschwinden. Er runzelt seine Stirn und will seinem Unmut Luft verschaffen, aber es entweicht nur ein unverständliches Gemurmel. Also nichts wie raus mit der leckeren Grünkost und die Backen entleert.
„Natürlich helfe ich dir lieber Tirilix“, erwidert Michel  und eilends  begeben sich beide zur alten Weide.

Gerade startet das Rotkehlchen einen erneuten Versuch um die begehrte Pfütze zu erreichen, aber die Krähe setzt zu einem Sturzflug an
und mit Müh´ und Not kann der kleine Waldvogel in eine Brombeerhecke flüchten. Selbst Flatti, der friedlichen Schmetterling, wird von der Krähe in die Flucht geschlagen. „So läuft es hier schon seit gestern Nachmittag. Wie sollen wir das nur ändern?“, fiepst der kleine Vogel.
„Nein, so kann es wirklich nicht weitergehen“, flüstert Michel, aber der Krähenvogel ist ziemlich stark, ich denke hier benötigen wir eine List.“ Bei diesen Worten stellt sich sein Stummelschwänzchen steil in die Höhe und die Kohlmeise weiß was das bedeutet: Michel ist jetzt voll konzentriert, denn er arbeitet an einem Plan. Als die Nacht herein bricht wird es still im Wald.
„Ha, jetzt ist die olle Krähe endlich eingeschlafen“, freut sich Michel und gibt Tirilix einen leichten Stups an die Seite. Die Kohlmeise reibt sich die müden Augen, denn eigentlich gehören kleine Vögelchen zu dieser Stunde schon ins Nest. „Ich sehe fast nichts mehr“, antwortet sie mit einem dicken Gähner und schüttelt das Gefieder. Michel hebt ihr in Windeseile den Schnabel zu. „Psst, Aktion Krähenschreck läuft an. Wir brauchen absolute Ruhe, denn sonst wird die da oben noch wach.“  Ganz langsam nickt der Piepmats mit seinem Köpfchen und verfolgt mit Spannung den weiteren Ablauf.

Als der nächste Morgen dämmert ist alles vorbereitet und hämisch thront die Krähe auf der Weide. Michel gibt das Zeichen zum Start und Tirilix nimmt seinen ganzen Mut zusammen, setzt direkt über dem Störenfried zu einem Sturzflug an um dann blitzschnell in Richtung Badepfütze zu sausen.
Wütend folgt die Krähe hinterher und hat ihn bald an der blauen Schwanzfeder erwischt als sie abrupt einen Hacken schlägt und Tirilix ohne Schaden entkommen kann. Sein Herz pocht bis zum Hals, als er sich neben Michel postiert um alles weitere zu verfolgen.
„Was war denn das? Welcher andere Vogel besitzt die Frechheit sich mir in den Weg zu stellen? Die Krähe ist empört und startet zu einem erneuten Flug in Richtung Pfütze. Tatsächlich, als sie im Tiefflug auf die Lache zurast erkennt sie einen schwarzen, großen Vogel, der sich ebenfalls im Anflug befindet.
„Pah, dem weiche ich sicherlich nicht aus, schließlich war ich als erstes hier. Bestimmt wieder so ein dreister Angeber, der keinen Schneid besitzt, wenn es darauf ankommt.“ Und mit diesen Worten legt sich noch an Tempo zu um den Herausforderer aus der Flugbahn zu werfen. Näher und näher kommen sich die zwei und die Krähe ist sich siegessicher. Doch dann ein dumpfer Aufschlag und die Krähe ist eines besseren belehrt und liegt benommen am Boden. Ächzend reibt sie sich ihren brummenden Schädel und den schmerzenden Schnabel und sucht mit flatterndem Flug das Weite.

„Hurra, wir haben gewonnen“, jubelt Tirilix und umarmt stolz seinen Freund, den Hamster. Michel zwinkert glücklich mit den Augen und beobachtet die anderen Tiere, die verwundert das glänzende Etwas betrachten, das neben der Pfütze vor ihnen auf dem Boden liegt. „Das ist ja ein Spiegel“, ruft verblüfft die Feldmaus. Und Michel? Der ist schon wieder auf dem Heimweg um noch eine große Portion grünen Klee zu hamstern.

© Heidemarie Andrea Sattler