Der Eisbär Drucken


Unruhig wälzte sich Jack im Bett umher. Das Laken klebte, wie in den Nächten zuvor,
auf seiner Haut und die Finger glitten auf der Suche nach ihr unwillkürlich neben seinen Körper. Der Blick verfing sich in den rotierenden Blättern des Ventilators und das gleichförmige Motorengeräusch zog ihn in den Strudel der Erinnerung. Heiße Nächte voller Liebestaumel und Glück.
„Ich bin dir ewig treu, du mein Eisbär“, hörte er sie zärtlich flüstern und die Gedanken an sie ließen seinen Puls immer noch schneller schlagen.
Schwer atmend strich er sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. Er dachte an die verwobenen Momente von Sehnsucht und Lust, die er in stiller Zweisamkeit mit ihr verbracht hatte.
„Einzigartige Glücksmomente“ hatte sie es genannt und sein Herz glaubte ihrem Lächeln. So kam es, dass sie seine Gefühle zum Schmelzen brachte. Und er? Seine Backenmuskeln spannten sich an und Jack presste die Lippen aufeinander.
„Ich lag ihr zu Füßen wie ein junger Hund und habe ihre Wünsche von den verführerischen Augen abgelesen!“, durchzuckte es ihn.
„Pass doch auf! Weißt du denn nicht, dass sie dich mit Haut und Haaren auffressen wird?“, mit diesen Worten versuchte sein bester Freund Joachim ihn vor ihr zu warnen.
Das war vor sechs Monaten gewesen und damals hatte er seinen Freund wütend vor die Türe gesetzt. Die Saat des Zweifels keimte erst, als die alte Dame vom Nachbarhaus mit Jack einen Plausch hielt und bemerkte:
„Sie sind so ein schönes Paar und ihre Freundin ist mir richtig sympathisch. Das Familienleben geht ihr wohl über alles, so lieb und herzlich wie sie mit ihren Brüdern verbunden ist!“
„Ihre Brüder?“, fragte Jack überrascht.
„Ja, aber natürlich“, berichtete die Nachbarin eifrig weiter. „Ich traf sie schon öfters im Park. Jede Woche begleitet sie ein anderer Bruder zum Einkaufen auf den Markt. Wie nett, nicht wahr? …und wie sie sich immer verabschieden.“
In ihrem Eifer stieg die Röte in ihre Wangen und schwärmend fügte sie noch hinzu:
„Eben eine Seele von Mensch! Ich freue mich so richtig für sie!“
Der letzte Satz drang kaum an seine Ohren, denn ein nagendes Gefühl von Eifersucht bahnte sich unaufhaltsam einen Weg zu seinem Herzen. So fing er an die Schritte seiner Liebsten zu überwachen und dabei verfolgte er sie bis in den Park. Dort wurde er ihrer Untreue gewiss und Jack ersinnte einen Plan.

Niemand vermisste sie, als sie nicht mehr auftauchte. In seinem Freundeskreis hieß es nur:
„Endlich, du wirst sehen, bald geht es dir besser“ und „So eine Tussi hast du nicht verdient, freue dich doch, dass du sie los bist, den eiskalten Engel!“
Nach geraumer Zeit kehrten seine Gedanken in die Gegenwart zurück. Mühevoll und noch leicht benommen richtete er sich auf, verließ sein Bett und ging schlurfenden Schrittes zu seinem PC.
„Heute werde ich mit allem abschließen, alles hinter mich lassen und neu beginnen“, hörte es sich murmeln und lächelnd tippte er die letzte Überweisung für seine neue Gefriertruhe in den Computer.
„Ciao, meine kleine Eisprinzessin, jetzt bist du für immer bei mir!“

© Heidemarie Andrea Sattler